Mickey Maus, Disney und die Schutzdauer des Urheberrechts

Die Maus als Grund für die Verlängerung des Urheberrechts

Für die meisten von uns ist es vollkommen selbstverständlich, dass das geltende Recht den Urheber eines Werkes langfristig schützt. Deshalb ist ein System, in dem Werke wie „Spider-Man“, „Vom Winde verweht“ oder „Hey Jude“ plötzlich gemeinfrei werden, nur ziemlich schwer vorstellbar. Als die ersten Urheberrechtsgesetze geschaffen wurden, sah das aber noch ganz anders aus: Wenn überhaupt, wurden kreative Werke nur sehr kurz geschützt und es dauerte nicht lange, bis andere Künstler sie sich einfach aneignen und zur Grundlage eigener Werke machen konnten.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde der urheberrechtliche Schutz in den meisten Ländern massiv ausgeweitet – und in den USA war die treibende Kraft dahinter niemand anders als Mickey Maus und die Walt Disney Company.

Es war einmal… Mickey Maus und das amerikanische Urheberrecht

Das weltweit erste Urheberrechtsgesetz stammt aus Großbritannien: Hier trat 1710 das sogenannte “Statute of Anne” in Kraft, das allerdings nur sehr eingeschränkten und kurzzeitigen Schutz vorsah. Obwohl zahlreiche US-amerikanische Bundesstaaten in den Jahren nach dem Unabhängigkeitskrieg (also Mitte der 1780-er Jahren) ihre eigenen Urhebergesetze erließen, vergingen bis zur ersten USA-weiten Regelung noch einige Jahre: Erst 1790 trat der “Copyright Act” in Kraft, der mit dem britischen Vorläufer nahezu identisch war. Dieses Gesetz sah für die Inhaber eines Urheberrechts immerhin einen 14-jährigen Schutz vor, der auf Antrag des noch lebenden Urhebers noch einmal um weitere 14 Jahre verlängert werden konnte.

Zwei spätere Gesetze aus den Jahren 1831 und 1909 erweiterten schließlich die Dauer des Urheberschutzes und des möglichen Verlängerungszeitraumes auf eine maximale Schutzdauer von 42 bzw. 56 Jahren. In den Geltungszeitraum dieses letzten Gesetzes fiel dann auch ein denkwürdiges Ereignis: Im Jahr 1928 schufen Walt Disney und sein Studio die wohl berühmteste Maus aller Zeiten. Da die Schutzdauer nach dem Gesetz von 1909 56 Jahre betrug, wäre Mickey also theoretisch im Jahr 1984 (1928+56) in die Gemeinfreiheit übergegangen.

Mickey Maus wurde schnell zum öffentlichen Gesicht der Firma. 2008 veröffentlichte die LA Times Umfrageergebnisse, nach denen 97% der landesweiten Bevölkerung Mickey Maus auf Anhieb erkannten. Mickeys Wert für die Walt Disney Company wurde auf mehr als 3 Milliarden US-Dollar geschätzt. In aktuelleren Studien gab das Wirtschaftsunternehmen Forbes Mickeys Wert sogar mit unglaublichen 5,8 Milliarden US-Dollar an. Daher verwundert es kein bisschen, dass Disney, als das Jahr 1984 immer näher rückte, mit allen Mitteln verhindern wollte, dass ihr Urheberecht in die Gemeinfreiheit überging.

Also begann Disney eine Lobbykampagne, um den Kongress davon zu überzeugen, dass es dringend an der Zeit für eine Urheberrechtsreform war. Mit Erfolg: 1976 erließ der Kongress still und heimlich ein neues Urheberrechtsgesetz und glich das amerikanische System an die aktuellen europäischen Standards an. Das hatte zur Folge, dass alle vor 1922 produzierten firmeneigenen Werke sofort in das Gemeineigentum fielen, und dass allen nach 1922 geschaffenen Werken nunmehr eine Schutzdauer von 75 Jahren zugutekam. So entkam Mickey der Gemeinfreiheit um Haaresbreite (nicht dass er Haare hätte…) und war erst einmal sicher – bis zum Jahr 2003.

Disney und die zweite Verlängerung des Urheberrechts

Wer die Geschichte bis hierhin verfolgt hat, kann sich denken, was als nächstes passierte: Mitte der 90-er Jahre rückte das Ende der neuen Schutzfrist näher und näher. Wieder machte sich Disney seinen gigantischen Einfluss zunutze – was 1997 zum Erlass des “Copyright Term Extension Act” (also eines Erweiterungsgesetzes zum bestehenden Urhebergesetz) führte. Der Schutz für Unternehmensurheberrechte in den USA wurde dadurch ein weiteres Mal erweitert: von 75 auf 95 Jahre, sodass Mickeys urheberrechtliche Galgenfrist bis 2023 verlängert war.

Nach Angaben des “Center for Responsive Politics” hat Disney seitdem jährlich mindestens 2,5 Millionen US-Dollar für Lobbyarbeit ausgegeben – 2008 waren es sogar ganze 6 Millionen US-Dollar.  Auch wenn Disney und seine Verbündeten immer ziemlichen Gegenwind bekamen, wenn die amerikanischen Urheberrechte wieder einmal ausgeweitet wurden, dürfte es ausreichend Genugtuung sein, dass die Kultmaus, die das Aushängeschild der Firma ist, nicht in absehbarer Zeit in die Falle der Gemeinfreiheit tappen wird.

Die Gesellschaft im Ganzen würde allerdings von einer gestärkten Gemeinfreiheit profitieren. Interessanterweise ist sich Disney durchaus im Klaren darüber, wie nützlich es sein kann, wenn gemeinfreie Werke wiederbenutzt und weiterverarbeitet werden dürfen: Denn schließlich zeigte sich im Rahmen eines Crowdsourcing-Projekts, dass mindestens 44 Disney-Filme – darunter einige der berühmtesten wie „Aladdin“, „Schneewittchen“ oder „Dornröschen“ – selbst auf Werken basieren, die gemeinfrei sind…

Wer weiß: Vielleicht wird Mickey Maus im Jahr 2023 tatsächlich gemeinfrei werden. Kurz darauf könnten seine Freunde Donald Duck, Goofy und noch ein paar andere der frühen Disney-Charaktere folgen. Dann hätten neue Künstler die Chance, sich diese amerikanischen Ikonen zu Eigen zu machen – oder es zumindest zu versuchen. Darauf zählen würde ich allerdings nicht.

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