Fotografien von gemeinfeien Werken oder Wikipedia gegen Museum

Wikipedia gegen Museum

BGH, Urt. v. 20.12.2018 – Museumsfotos

Das Urheberrecht hat die Aufgabe, denjenigen, der ein Werk erschaffen hat, zu schützen. Egal, ob es sich um ein Bild, eine Skulptur, einen Film, ein Musikstück oder eine Fotografie handelt – geschützte Werke dürfen nicht ohne die Zustimmung des Urhebers verwendet werden. Das gilt allerdings nicht bis in alle Ewigkeit, denn 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt das Urheberrecht und die Werke werden gemeinfrei, dürfen also auch ohne Einverständnis verwendet werden.

Was ist passiert?

Das klingt erst einmal ziemlich eindeutig und unkompliziert. Ist es aber – wie so oft, wenn Richter und Anwälte ins Spiel kommen – nicht. Das musste auch eine Fotografin feststellen, die im Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum mehrere dort ausgestellte Kunstobjekte fotografiert und außerdem einige im Museumskatalog abgebildete Fotografien von anderen Kunstobjekten eingescannt hatte. Anschließend hat sie die Bilder in die mit Wikipedia verknüpfte Datenbank Wikimedia Commons hochgeladen. Dort veröffentlichte Bilder dürfen von den Nutzern kostenlos und ohne Erlaubnis verwendet werden, wenn die jeweils gültige Lizenz (hierbei kann es sich beispielsweise um eine sogenannte Creative Commons-Lizenz handeln) eingehalten wird. Mit dieser Veröffentlichung in Wikimedia war das Museum allerdings nicht einverstanden. Es reichte Klage ein – und bekam vor allen beschrittenen Instanzen (bis hin zum BGH) Recht.

Fotografieren im Museum

Aber halt – haben wir nicht gerade festgestellt, dass das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt und die Werke in die Gemeinfreiheit übergehen? Schließlich waren alle der auf den Fotografien und Scans abgebildeten Kunstobjekte aus diesem Grund bereits gemeinfrei. Wo lag also das Problem?

Verwendung nicht selbst erstellter Fotografien

In Hinblick auf die eingescannten Fotografien aus der 1992 veröffentlichten Publikation entschied der BGH, dass die exakte Fotografie eines Gemäldes eigenständigen Schutz als Lichtbild nach § 72 Abs. 1 UrhG genieße. Dem stehe auch die grundsätzliche Gemeinfreiheit des abgebildeten Kunstwerkes nicht entgegen, denn § 72 UrhG hindere die Allgemeinheit lediglich an der Vervielfältigung des konkreten Bildes des gemeinfreien Werkes. Trotz Gemeinfreiheit des abgebildeten Kunstobjektes kommt der hiervon angefertigten Fotografie folglich ein selbstständiger Schutz über § 72 UrhG zu.

Verwendung selbst erstellter Fotografien

Aber wo liegt das Problem bei der Vervielfältigung eigener Fotografien eines gemeinfreien Werkes? Im vorliegenden Fall stehen die fotografierten Gegenstände im Eigentum des Museums. Das hat mit dem Urheberrecht nichts zu tun, sondern lediglich damit, dass das Museum die Kunstobjekte irgendwann von irgendwem gekauft, geschenkt oder gespendet bekommen hat. Das Eigentum an den Kunstobjekten führt, so die Gerichte, dazu, dass das Museum bzw. dessen Mitarbeiter selbst entscheiden dürfen, ob das Fotografieren in ihren Räumlichkeiten erlaubt ist oder nicht. Wie in den meisten Museen üblich, hatte sich das Reiss-Engelhorn-Museum ausdrücklich gegen eine solche Erlaubnis entschieden. Vielmehr befanden sich an verschiedensten Stellen im Museum deutlich sichtbare Piktogramme die eine durchgestrichene Kamera zeigten. Diese Entscheidung des Museumsbetreibers ist nach Ansicht des BGH – trotz Gemeinfreiheit der Werke – auch nicht rechtlich zu beanstanden. Vielmehr obliegt diesem das Hausrecht, sodass er entscheiden kann, ob das Fotografieren der im Museum befindlichen Kunstwerke erlaubt ist oder nicht.

Was sollte man also beachten?

Die Entscheidung zeigt zunächst, dass die Verwendung von nicht selbst angefertigten Fotografien gemeinfreier Werke – auch wenn die abfotografierten Werke selbst bereits gemeinfrei geworden sind – nur mit äußerster Vorsicht und vor Allem nur mit der Einwilligung des Urhebers der Fotografie erfolgen sollte. Darüber hinaus zeigt die Entscheidung, dass Fotografie-Verbote in Museen und Kunstgalerien lieber ernst genommen werden sollten. Natürlich gilt auch hier, wie so oft im Leben: Fragen kostet nichts. Möglicherweise kann bei berechtigten Interessen eine Ausnahmegenehmigung vom Museum erteilt werden. Riskieren sollte man aber, wie der vorliegende Fall zeigt, besser nichts – denn das kann teuer werden und ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen…

Und was ist mit der Gemeinfreiheit?

Nach der Entscheidung des BGH mag nun bei einigen der Eindruck entstehen, dass die grundsätzlich 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers eintretenden Gemeinfreiheit wenig Wert hat, wenn diese über andere Wege umgangen werden kann. Dieser Problematik begegnet der Gesetzgeber mit dem im Jahr 2021 neu in das UrhG eingefügten § 68 UrhG. Dieser setzt unionsrechtliche Vorgaben um. Nach dieser neuen Regelung sollen in Zukunft Vervielfältigungen gemeinfreier Werke vom Schutz durch Leistungsschutzrechte ausgenommen werden. Es ist davon auszugehen, dass § 68 UrhG zukünftig vor allem den Lichtbildschutz für Fotografien gemeinfreier Werke ausschließen wird.

Einfacher ausgedrückt:

Was habe ich von der Gemeinfreiheit, wenn ich die Bilder dann doch nicht zeigen darf?

Das Problem hat der Gesetzgeber erkannt. Die Nutzung von Fotos von gemeinfreien Werken wird in Zukunft in den meisten Fällen nicht mehr gegen das Urheberrecht verstoßen.

(Nichtsdestotrotz dürfen Museen das Fotografieren in ihren Räumen generell verbieten!)

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