Musik im Wahlkampf – Und die Musi spielt dazu…?

Und die Musi spielt dazu

Urteil des OLG Jena vom 22. April 2015, Beschluss des BGH vom 11.05.2017

Natürlich leben Wahlkampfveranstaltungen hauptsächlich von den dort auftretenden Politikern, von Reden, Parolen und Diskussionen. Doch auch das richtige Lied, abgespielt zur richtigen Zeit, kann die Stimmung bei der Veranstaltung erheblich beeinflussen. Das wusste schon Ronald Reagan, der den Springsteen-Klassiker „Born in the USA“ als Soundtrack seiner Wahlkampagne verwenden wollte – bis der „Boss“ persönlich den Republikanern die Nutzung des Songs untersagte. Zuletzt forderte Sänger Steven Tyler den damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump auf, den Aerosmith-Hit „Dream on“ nicht als Wahlkampf-Song zu nutzen. Wie aber wäre das hierzulande? Dürfen Baerbock, Scholz, Laschet & Co einfach ihre Lieblingssongs als „Wahlkampfhymnen“ benutzen? Oder würde dies eine Urheberrechtsverletzung darstellen? Mit dieser Frage musste sich das OLG Jena und im Anschluss der BGH vor einiger Zeit auseinandersetzen.

Höhner gegen die NPD

Was war geschehen? Das lässt sich ganz einfach zusammenfassen: Bei einer NPD-Veranstaltung im Rahmen des Landtagswahlkampfes 2014 wurden mehrere Lieder der Kölner Musikgruppe „Die Höhner“ abgespielt, als sich der Landesvorsitzende im direkten Anschluss an seine Rede mit den Wählerinnen und Wählern unterhielt. Wer diese Gruppe und insbesondere den Karnevals-Hit „Viva Colonia“ kennt, weiß, dass ihre Lieder wahre Stimmungs-Granaten sind. Insofern verwundert die Musikauswahl der NPD nicht. Denn wer wünscht sich keine überbordende, ausgelassene Stimmung auf seinen Wahlkampfveranstaltungen? Wer allerdings keinen Spaß verstand, waren die Höhner. Die zogen, als sie von der Musiknutzung der NPD erfuhren, vor Gericht – und siegten.

Entstellung von Werken oder von nackten Sirenen

Nach dem Urhebergesetz kann der Urheber Entstellungen oder Beeinträchtigungen seiner Werke dann verbieten, wenn sie geeignet sind, seine berechtigten Interessen an dem Werk zu gefährden. Unjuristisch ausgedrückt: Als Künstler, sei es ein Maler, Komponist oder Schriftsteller, muss ich nicht hinnehmen, dass mein Werk von anderen verhunzt wird. Ein Beispiel: Im Jahr 1912 entschied das Reichsgericht einen äußerst brisanten Fall. Der Eigentümer eines Wohnhauses hatte einen Künstler beauftragt, den Treppenflur des Hauses mit einem Freskogemälde mit dem Titel „Felseneiland mit Sirenen“ zu verschönern. Das tat der Künstler auch – und malte die Sirenen nackt wie Gott sie schuf. Daraufhin beauftragte der Hauseigentümer ohne die Zustimmung des Malers einen anderen Maler, der den ursprünglich unbekleideten Sirenen nunmehr Kleidung verpasste. In dieser Übermalung sah das Reichsgericht eine Entstellung des Werkes.

Auf die Umstände kommt es an

Zurück zu unserem Fall. Hier wurden die Lieder der Höhner ja nicht verändert, sondern in ihrer originalen Gestalt abgespielt. Doch das OLG Jena stellte fest, dass nicht nur die Entstellung eines Werks eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann, sondern auch solche Darbietungen, die aufgrund der Umstände zu einer Ruf- oder Ansehensgefährdung des Künstlers führen könnten. Und eine solche Gefährdung liegt bereits dann vor, wenn es für den durchschnittlichen Beobachter so wirken könnte, als stünden die Höhner der NPD nah, sympathisierten mit ihr oder hätten zumindest die Verwendung der Lieder auf Wahlkampfveranstaltungen gestattet. Um welche Partei es sich handelt, das betonte das Gericht ausdrücklich, spielt dabei zunächst einmal keine Rolle.

Eine Gefährdung liegt vor

Vorliegend waren Ruf und Ansehen der Höhner tatsächlich gefährdet. Ihre Lieder wurden bei der NPD-Veranstaltung unmittelbar nach der politischen Rede des Landesvorsitzenden abgespielt, sie sollten die anschließenden Gespräche zwischen den Politikern und Wählern musikalisch untermalen. Daher dienten sie nicht lediglich als „Pausenfüller“, sondern als „Begleitmusik“. Und dass die anwesenden Wählerinnen und Wähler die abgespielte Musik automatisch mit der Partei assoziieren und zumindest unterbewusst davon ausgehen, dass gewisse (beiderseitige) Sympathien bestehen, ist nicht unwahrscheinlich. Hierdurch wiederum könnte den Höhnern ein wirtschaftlicher Schaden entstehen. Wer weiß, wie viele Fans sich enttäuscht von ihnen abwenden würden, wenn sie vermuteten, dass die Höhner mit der NPD sympathisierten? Vermutlich nicht wenige.

Und die Zahlung an die GEMA…?

Die NPD berief sich in einer Beschwerde vor dem BGH darauf, dass sie für die gespielten Stücke Gebühren an die GEMA gezahlt habe. Das ist aus Sicht des BGH jedoch nicht relevant. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die Urheber der GEMA regelmäßig lediglich solche Nutzungsrechte übertragen, die für die voraussehbar sind. Die Nutzung in Wahlkampfveranstaltungen ist aus Sicht des BGH jedoch nicht vorhersehbar für die Urheber. Die Zahlung der GEMA-Gebühren für die Musikstücke ändert daher nichts am Urteil des OLG Jena.

Also keine Musik auf Wahlveranstaltungen?

Muss man also im Interesse des Urheberrechtsschutzes gänzlich auf Musik bei Wahlkampfveranstaltungen verzichten? So radikal ist es natürlich nicht. Aber ohne die Genehmigung des Urhebers sollten Lieder bei Wahlkampfveranstaltungen und auch Demonstrationen nicht abgespielt werden. Und Nachfragen kostet ja bekanntlich nichts.

Diesen Beitrag teilen
Weiter im Blog stöbern:

Gelöscht ist nicht gleich gelöscht

Es ist allgemein bekannt, dass die Verwendung von fremden Fotos auf Webseiten mit urheberrechtlichen Problemen verbunden sein kann. Doch dass Fotos auch nach der Löschung von einer Webseite noch urheberrechtlich problematisch sein können, dürften die Wenigsten wissen.

Fotografien von gemeinfeien Werken oder Wikipedia gegen Museum

Das Urheberrecht hat die Aufgabe, denjenigen, der ein Werk erschaffen hat, zu schützen. Egal, ob es sich um ein Bild, eine Skulptur, einen Film, ein Musikstück oder eine Fotografie handelt – geschützte Werke dürfen nicht ohne die Zustimmung des Urhebers verwendet werden.

Schlagwörter

Zitat-Check

Ich überprüfe Ihr Zitat für Sie!
→ Mehr erfahren

Gehen Sie auf Nummer sicher!

Zitat ab 39 EUR inkl. MwSt. anwaltlich prüfen lassen
Zum Zitat-Check