Fälschungen dieses Kalibers sind nicht ungewöhnlich und halten die Kunstwelt trotz der Fortschritte der modernen Technik immer wieder in Atem. Im Jahr 2009 deckten die deutschen Behörden einen der größten Coups der deutschen Geschichte auf. Lothar Senke, der selbsternannte Graf von Waldstein, hatte gemeinsam mit seinen Komplizen jahrelang gefälschte Alberto-Giacometti-Skulpturen verkauft. Wie aber ist es möglich, dass ein paar Männer mehr als 10,4 Millionen Dollar erbeuten, indem sie Giacometti-Skulpturen aus ihrem Kofferraum verkaufen?
Häufig wird der Erfolg von Kunstfälschern damit begründet, dass ihre Arbeiten einfach zu gut, zu detailgetreu sind, und dass deswegen niemand ihre Echtheit in Frage stellt. Die Realität sieht anders aus: Fachleute erkannten häufig sofort und ohne Probleme, wenn es sich bei den ihnen vorgelegten Werken um Fälschungen handelte. Ein Kunsthistoriker bezeichnete die von ihm begutachteten Werke sogar als “unsäglich schlecht”.
Maßgeblich für den Erfolg von Kunstfälschungen ist daher vielmehr, ob ihre angebliche Herkunft plausibel erscheint. Da von den Kunstwerken Giacomettis kein umfassender Katalog existiert, ist es für gerissene Gauner sehr viel einfacher, eine von ihnen selbst angefertigte Reproduktion als Original auszugeben. Das technische Geschick, welches den Fälschern möglicherweise fehlt, können sie ohne weiteres durch eine glaubwürdige Herkunftsgeschichte ausgleichen.
Und hier legten Senke und seine Partner erstaunliche Kreativität an den Tag: Ihre Legenden untermauerten sie nämlich durch ein Buch mit dem Titel “Diego’s Rache”. In diesem Buch wird berichtet, wie Diego Giacommetti, der jüngere Bruder des Künstlers Alberto, angeblich einige Skulpturen aus dem Atelier seines Bruders mitnahm und heimlich neue Gussstücke von ihnen anfertigte. Dem Buch zufolge wurden diese Abdrücke zunächst versteckt und nach dem Tod des Künstlers an zahlreiche Sammler in aller Welt verkauft. Der Clou an der Sache: Senke und seine Komplizen hatten das Buch selbst geschrieben… Seinen Käufern gegenüber behauptete Senke teilweise, er habe einen der Originalabdrücke einem ausländischen Sammler abgekauft, teils gab er vor, Diego Giacometti persönlich gekannt und eines der Gussstücke von ihm selbst erhalten zu haben.
Es liegt in der Natur der Sache, dass Skulpturen häufiger gefälscht werden als Gemälde – schlichtweg, weil es sehr viel einfacher ist. Manchmal fertigen Gießereien Kopien an, stellen mehr Abdrücke her als angefordert wurden oder Erben der Künstler besitzen Gussstücke, die nach dem Tod des Künstlers angefertigt wurden. Daher ist oft unklar, wie viele Gussstücke einer Skulptur es tatsächlich gibt, sodass es unmöglich ist, die echten und falschen Kopien auseinanderzuhalten.
Dass also oft nicht klar ist, wie viele Originale eines Werkes existieren, macht es für Kunstfälscher sehr viel leichter ihre Fälschungen still und heimlich in die Reihen der Originalwerke zu mischen. Es wird angenommen, dass Giacometti im Laufe seines Lebens weniger als 500 Einzelstücke angefertigt hat – allerdings kann nicht einmal die Alberto-und-Anette-Giacometti-Stiftung, die von seiner Witwe gegründet wurde, eine genaue Zahl nennen. Und je produktiver Künstler sind, desto schwieriger kann es sein, zuverlässige Angaben zu treffen, wie viele Werke tatsächlich existieren.
Zwar sind die Urhebergesetze bei weitem nicht das einzige Werkzeug, das im Kampf gegen die Kunstfälscher zur Verfügung steht, aber sie können den Urheberrechtsinhabern dabei helfen, den durch Kunstbetrug verursachten Umsatzverlust auszugleichen. Im Fall von Lothar Senke beispielsweise trat die Giacometti-Stiftung dem Prozess als Nebenklägerin bei, um eine eigene urheberrechtliche Entscheidung zu erwirken. Diese Möglichkeit bestand deshalb, weil Giacometti erst 1966 starb und seine Werke daher nach wie vor urheberrechtlich geschützt sind. Erst 2036 gehen sie in die Gemeinfreiheit über, sodass ab diesem Zeitpunkt eine urheberrechtliche Verfolgung solcher Fälle nicht mehr möglich ist. Dann kann nur noch die Staatsanwaltschaft wegen Betruges ermitteln.