Metall auf Metall – Das bisschen Sampling, das kann doch nicht so schlimm sein…?

Metall auf Metall

Urteil des BVerfG vom 31. Mai 2016 und Beschluss des BGH vom 1. Juli 2017

Es sind zwei Sekunden, die die deutschen Gerichte bereits seit beinahe zwei Jahrzehnten beschäftigen – und die es mittlerweile bis zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg geschafft haben. Das hätte sich der Rapper und Produzent Moses Pelham wohl vor rund 20 Jahren nicht träumen lassen, als er den Song „Nur mir“ für Sabrina Setlur produzierte. Hierfür übernahm er zwei Takte aus dem Kraftwerk-Titel „Metall auf Metall“, den die Düsseldorfer Band im Jahr 1977 auf ihrem Album „Trans Europa Express“ veröffentlicht hatte. Seinen neuen Song unterlegte er anschließend mit der zwei Sekunden langen, sich in Dauerschleife (Loop) wiederholenden und in der Geschwindigkeit um 5 % verlangsamten Rhythmussequenz. Dieses musikalische Gestaltungsmittel, das sogenannte „Sampling“, hat erheblich an Bedeutung gewonnen und spielt gerade im Hip-Hop eine entscheidende Rolle. Die Mitglieder von Kraftwerk sahen jedoch in der Nutzung jener zwei Sekunden eine Verletzung ihrer Rechte – und begannen einen erbitterten Rechtsstreit durch sämtliche Instanzen.

Einmal durch alle Instanzen

Zunächst einmal sah es schlecht für Pelham aus: Die ersten Instanzen nahmen eine Verletzung des sogenannten Tonträgerherstellerrechts an. Etwas anders sah es der Bundesgerichtshof (BGH.) Der nahm zwar auch an, dass die Tonträgerherstellerrechte grundsätzlich schon bei einer Verwendung kleinster Tonfetzen verletzt sein können – schließlich haben auch minimale Sequenzen schon einen wirtschaftlichen Wert. Doch auf der anderen Seite gibt es auch noch das „Recht zur freien Benutzung“, das im Urheberrechtsgesetz geregelt und Teil der grundrechtlich garantierten Kunstfreiheit ist. Wenn dieses Recht greift, dürfen solche fremden Sequenzen auch ohne Zustimmung des Urhebers verwendet werden. Der BGH bemängelte, dass die vorherigen Gerichte dieses Recht zur freien Benutzung gar nicht erst geprüft hatten. Trotz erneuter Prüfung gab es jedoch zunächst kein anderes Ergebnis. Die Trendwende kam erst, als der Rechtsstreit bis zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgedrungen war. Das BVerfG war der Ansicht, dass die bisherigen Gerichte das Recht zur freien Benutzung und die Kunstfreiheit nicht in ausreichendem Maße neben den Eigentumsrechten von Kraftwerk berücksichtigt hätten. Schließlich ist Jura oft vor allem eine Frage der Abwägung – und hier müssen sämtliche Interessen gleichermaßen berücksichtigt werden.

Kunstfreiheit vs. Eigentumsfreiheit

Also wog das Bundesverfassungsgericht ab, was das Zeug hielt. Und es kam zu dem Ergebnis, dass nicht für jede Verwendung von Sampling-Sequenzen die Erlaubnis des Urhebers notwendig ist. Notwendig ist immer dann, wenn umfangreichere Sequenzen verwendet werden sollen – aber in unserem Fall ging es ja gerade einmal um zwei Sekunden. Der Eingriff in die Rechte Kraftwerks sei daher nur geringfügig, zumal sie durch die Nutzung durch Pelham keinen wirtschaftlichen Verlust erlitten. Würde Pelham auf der anderen Seite die Nutzung der Sequenz untersagt, würde seine künstlerische Entfaltungsfreiheit ganz erheblich beeinträchtigt.

Über Karlsruhe nach Luxemburg

Nachdem das Bundesverfassungsgericht zugunsten von Pelham entschieden hatte, war erneut der BGH am Zug. Eigentlich hätte er nun (unter Berücksichtigung des Bundesverfassungsgerichtsurteils) eine neue Entscheidung treffen müssen. Stattdessen wandte er sich zunächst einmal an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Der Grund hierfür waren zwei EU-Richtlinien, die sich ebenfalls mit dem Urheberrecht beschäftigen. Hat ein deutsches Gericht nämlich Zweifel daran, ob EU-Richtlinien mit deutschem Recht vereinbar sind oder wie diese auszulegen sind, kann es diese Fragen dem EuGH vorlegen. Solange pausiert das Verfahren in Deutschland. Der EuGH beantwortet dann die Fragen – und auf dieser Grundlage erfolgt die Entscheidung des deutschen Gerichts.

Was soll der EuGH beantworten?

Der EuGH soll nun beantworten, ob eine Verletzung des Tonträgerherstellerrechts schon dann vorliegt, wenn wirklich nur kleinste Tonfetzen übernommen und auf andere Tonträger übertragen werden. Außerdem will der BGH wissen, ob die deutsche Regelung der freien Benutzung tatsächlich dazu führen kann, dass Musiksequenzen gänzlich ohne Zustimmung des Urhebers weiterverwendet dürfen.

Wie geht es weiter?

Die Entscheidung des EuGH wird einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Musikbranche haben. Für zahlreiche Künstler, bei denen das Sampling an der musikalischen Tagesordnung ist, steht viel auf dem Spiel. Nicht weniger relevant ist die Entscheidung für die Urheber bereits existierender Musiktitel, die möglicherweise jederzeit damit rechnen müssen, dass Teile ihrer Werke ohne ihre Zustimmung und ohne einen finanziellen Ausgleich weiterverwendet werden. Die Entscheidung des EuGH wird daher von allen Seiten mit Spannung erwartet. Interessant ist übrigens, dass diese Thematik nicht nur die deutsche (und mittlerweile europäische) Rechtsprechung beschäftigt: Auch in den USA haben sich verschiedentlich Gerichte mit dem Sampling beschäftigt. Und auch dort zeigt sich eine leichte Trendwende: Während die bis vor kurzem geltende Maxime lautete: „Get a license or do not sample“, also „Hol‘ dir eine Lizenz oder lass das Sampeln sein“ (so z.B. der United States Court of Appeals for the Sixth Circuit im Jahr 2005), entschied der United States Court of Appeals for the Ninth Circuit im Juni 2016 einen Rechtsstreit zu Gunsten des Sampling. Seine Entscheidung begründete er damit, dass bei einer 0,23 Sekunden langen gesampelten Sequenz der durchschnittliche Hörer nicht merken werde, dass diese aus einem anderen Werk stammt. Das ist auf unseren Fall, bei dem die fragliche Sequenz die beinahe 10-fache Länge hat, natürlich nicht ohne Weiteres übertragbar. Noch ist daher alles offen – und beide Parteien dürfen nach wie vor hoffen, dass ihr Durchhaltevermögen am Ende belohnt wird.

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